Intelligente Prognosen für das Energiesystem von morgen
Das Berliner Unternehmen Solandeo hat eine KI-basierte Plattform entwickelt, die sowohl für einzelne Anlagen als auch für ganze Netzgebiete präzise Prognosen zu Stromerzeugung bzw. -verbrauch treffen kann. Eine wesentliche Voraussetzung für das künftige erneuerbare Energiesystem.
Deutschland wird immer erneuerbarer: 2019 lag der Anteil der Stromerzeugung aus regenerativen Energien bereits bei 42,1 Prozent – nach 37,8 Prozent im Vorjahr. Sonne, Wind & Co. produzierten damit erstmals mehr elektrische Energie als alle Braun- und Steinkohlekraftwerke zusammen. Die Windenergie wurde mit 126 Milliarden Kilowattstunden hierzulande zum wichtigsten Energieträger und verdrängte damit die Braunkohle von der Spitzenposition. Und der Ausbau geht weiter: Im ersten Halbjahr 2020 sorgten Erneuerbare für mehr als 50 Prozent unseres Stroms.
Gerade die Erzeugung von Wind- und Solarenergie unterliegt wetterbedingt starken Schwankungen: Scheint die Sonne und weht eine steife Brise, laufen die Anlagen auf Hochtouren, bei grauem Himmel und Flaute fährt die Stromproduktion runter. Für die Energieinfrastruktur ist das eine besondere Herausforderung, denn Stromerzeugung und -verbrauch müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, um die Netze stabil und sicher zu halten. Damit Netzbetreiber diese Stabilität zu möglichst niedrigen Kosten sicherstellen können, benötigen sie präzise Informationen über die fluktuierende Stromerzeugung aus Erneuerbare-Energien-Anlagen. Intelligente Messsysteme können hier für mehr Transparenz sorgen. Doch noch sind sie nicht flächendeckend installiert. Deshalb braucht es alternative Lösungen.
Die Energiewende findet im Verteilnetz statt
Durch den Umbau des Energiesystems müssen Netzbetreiber immer häufiger sogenannte Redispatch-Maßnahmen vornehmen: Um Abschnitte des Stromnetzes vor einer Überlastung zu schützen, müssen sie in die Erzeugungsleistung von Kraftwerken eingreifen. Droht an einer bestimmten Stelle ein Engpass, fordern sie die Kraftwerksbetreiber auf der einen Seite davon auf, die Einspeisung zu drosseln. Gleichzeitig müssen in anderen Netzgebieten, in denen nicht genügend Strom produziert wird, zusätzliche Kraftwerke hochgefahren werden. Dieses Engpassmanagement verursacht jährliche Kosten in dreistelliger Millionenhöhe.
Die Regelungen zum erweiterten Redispatch-Prozess, dem Redispatch 2.0, nehmen nicht mehr nur die Übertragungs-, sondern ab Oktober 2021 auch die Verteilnetzbetreiber in die Pflicht: Alle Erzeugungsanlagen, die eine Leistung über 100 Kilowatt bzw. eine Ansteuerungsmöglichkeit haben, werden in das Redispatch-System einbezogen. Bislang lag diese Grenze bei 10 Megawatt und betraf konventionelle Kraftwerke vor allem auf Hoch- und Höchstspannungsebene. Redispatch 2.0 schließt hingegen auch Erneuerbare-Energien-Anlagen mit ein.
Die Verteilnetzbetreiber sind dann in der Pflicht, anlagengenaue Prognosen für die Stromerzeugung sowie zuverlässige Vorhersagen zu Gesamterzeugung und Verbrauch in ihrem jeweiligen Netz zu treffen. Auf diese Weise sollen Einspeisung und Stromlast noch präziser aufeinander abgestimmt und Netzengpässe auf allen Spannungsebenen möglichst schon im Vorfeld vermieden werden. „Belastbare Prognosemodelle sind für diese Prozesse absolut zwingend“, sagt Friedrich Rojahn, CEO der Solandeo GmbH. „Solche Modelle müssen mit sehr großen Datenmengen hantieren können und dürfen zugleich nicht zu hohe Kosten verursachen.“
Foto: Energiequelle GmbH
Mikro- und Makrokosmos der Energiewende
Für das Stromnetz der Zukunft werden also intelligente Prognoselösungen, die kostengünstig, flexibel und sowohl für Anlagen als auch für ganze Gebiete verfügbar sind, immer wichtiger. Solandeo hat über Jahre Lösungen hierfür entwickelt und sich dieser Herausforderung von zwei Seiten genähert: Zum einen im brandenburgischen Ort Feldheim, also im kleinen Maßstab. Zum anderen im Großen: nämlich in der Regelzone des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz im Rahmen des Schaufensters für intelligente Energie aus dem Nordosten Deutschlands (WindNODE).
In Feldheim betreibt die Firma Energiequelle Windenergie- und Photovoltaikanlagen mit zusammen mehr als 1.200 MW installierter Leistung, neben einem Umspannwerk und einem Energiespeicher. Feldheim sei für sie damit ein Mikrokosmos der Energiewende und eine Blaupause für ganz Deutschland, so Rojahn. Seit 2018 kooperieren Energiequelle und Solandeo im Bereich des Messstellenbetriebs. „Gleich neben den Windrädern, in einem Flachbau, in dem Akkus mit einem Speichervolumen von 10.700 Kilowattstunden Strom stehen, haben wir zwei digitale Stromzähler verbaut, die uns Echtzeitdaten zu Erzeugung, Verbrauch sowie Speicherkapazitäten liefern.“ Diese Daten sind für Energiequelle enorm wichtig. Denn sie fließen in die Prognosen ein, die Solandeo erstellt, und trainieren zugleich die selbstlernenden Algorithmen, auf denen die Prognosen basieren. Die Algorithmen suchen in diesem permanenten Datenstrom nach Mustern und können mit der Zeit immer präzisere Aussagen darüber treffen, wie viel Strom eine einzelne Erneuerbare-Energien-Anlage in der nahen Zukunft produzieren wird. Je genauer diese Produktionsprognosen sind, desto günstiger ist das für den Verkauf des Ökostroms aus den Energiequelle-Anlagen an der Börse. „Denn jede Abweichung zwischen unserer Erzeugungsprognose und der tatsächlichen Einspeisung kostet Geld“, sagt Doreen Raschemann, Vorstand der Energiequelle-Stiftung und Leiterin des Besucherzentrums in Feldheim.
10.490 Kilometer Versuchslabor
Zusammen mit dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz hat sich Solandeo außerdem in den Makrokosmos der Energiewende begeben. Das Netz von 50Hertz erstreckt sich über den gesamten Osten Deutschlands inklusive Berlin und Hamburg – und damit über insgesamt 10.490 Kilometer. Allein rund 5.000 Megawatt Solarstrom sind in dem Gebiet installiert. In der großflächigen Regelzone von 50Hertz werden alle Herausforderungen des zukünftigen, erneuerbaren Energiesystems offensichtlich. Ein ideales Versuchslabor.
Im Rahmen von WindNODE haben 50Hertz und Solandeo gemeinsam daran gearbeitet, präzisere Hochrechnungen der Solarstromerzeugung zu erstellen. Dafür haben sie Methoden entwickelt, mit denen sich die derzeitige Stromerzeugung von Photovoltaikanlagen im Netzgebiet bestmöglich errechnen lässt, selbst wenn zunächst nur wenige intelligente Messstellen entsprechende Echtzeitdaten liefern. Der Fokus liegt dabei auf Verfahren des maschinellen Lernens.
Wichtig ist dabei, das Messnetz richtig auszuwählen: Die Messsysteme müssen sowohl die örtliche Verteilung der installierten Leistung aller Anlagen widerspiegeln als auch das individuelle, vom aktuellen Wetter beeinflusste Produktionsverhalten. „Bei einem intelligentem Messnetz wird die Auswahl der Referenzanlagen an die derzeitige Situation in der Regelzone angepasst“, erläutert Solandeo-Chef Rojahn. „Zu jedem Zeitpunkt werden also potenziell andere Anlagen in die Hochrechnung einbezogen.“
Bei der Analyse der Daten habe sich gezeigt, dass eine dynamische Zuordnung zu Gruppen (Clustering) mittels Machine Learning gute Ergebnisse erzielt, so Rojahn. „Dabei wurden die Datenreihen der Messstellen miteinander verglichen, um Anlagen mit ähnlichem Produktionsverhalten zu identifizieren.“ Auf dieser Basis könnten einzelne, geclusterte Messstellen eines dynamisch ausgewählten Messnetzes dafür genutzt werden, auf Hochrechnungen basierende Prognosen für eine ganze Regelzone, hier die von 50Hertz, zu erstellen.
Relevanz von Erzeugungsanlagen innerhalb des 50Hertz Gebiets
Relevanz von Messstellen deutschlandweit
Vollautomatisierte Prozesse
„Das Herz unseres Prognosesystems ist das Modul für die skalierbare vollautomatische Erstellung, Evaluierung und Inbetriebnahme von Prognosemodellen“, erklärt Solandeo-Chef Friedrich Rojahn. „Es entspricht dem höchsten Stand der Technik zur automatisierten Entwicklung von Machine-Learning-Modellen“, betont Kolja Bailly. Auf dieser Basis erstellt das Solandeo-System spezifische Einzelprognosen für verschiedene Anwendungsgebiete: zum Beispiel Prognoseverfahren für Netzmodelle und Netzmanagement-Systeme. Um eine Prognosereihe zu erstellen, werden mehrere unabhängige Prognosemodelle trainiert, ausgeführt und verschnitten. „Die einzelnen Subprognosen unterscheiden sich dabei hinsichtlich ihrer Methodik sowie der verwendeten Datengrundlage“, erläutert Bailly.
Dieses hochkomplexe Verfahren ermöglicht jederzeit eine valide Prognose, selbst wenn die Eingangsdaten unvollständig sind. „Unsere Erfahrung mit Tausenden von Anlagen zeigt, dass sich Datenlücken nie ganz vermeiden lassen“, sagt Friedrich Rojahn. Diese Lücken zu schließen, damit die Daten überhaupt nutzbar sind, ist der Job des Moduls Datenaufbereitung. Das Ganze läuft automatisch ab. Zunächst prüft die Komponente, ob die Übertragungsformate aller eingehenden Daten formal korrekt sind. Anschließend validiert und plausibilisiert es die Werte anhand von Stammdaten, Prognosen oder gleichartigen Daten aus der lokalen Umgebung. Auf der grafischen Benutzeroberfläche des Prognosesystems werden festgelegte Metriken zur Datenqualität für alle eingepflegten Datenreihen jederzeit in Echtzeit dargestellt und ausgewertet. Gibt es Abweichungen, wird der Nutzer oder die Nutzerin automatisch benachrichtigt. Treten ungewöhnliche externe Ereignisse auf, ist ein manueller Eingriff in den ansonsten vollautomatischen Prozessablauf möglich.
Für Friedrich Rojahn müssen gute Automatisierungskonzepte den Anwendern zudem die Möglichkeit bieten, bei Bedarf ihr Fachwissen einfließen zu lassen. Auch deshalb beinhaltet die Plattform einen Werkzeugkasten, der es Anwendern beispielsweise erlaubt, Prognosemodelle zu verändern, neu zu konfigurieren oder zu vergleichen und Qualitätsauswertungen vorzunehmen. Gleichzeitig bewertet das System automatisch und kontinuierlich die Datenqualität aller Mess- und Prognosedaten, versendet Berichte dieser Auswertungen und löst Alarm aus, wenn vorgegebene Toleranzbereiche überschritten werden.
Live-Betrieb innerhalb weniger Wochen
Das Stromnetz der Zukunft muss sich an den starken Ausbau der erneuerbaren Energien anpassen. Wenn Windenergieanlagen bei Sturm heruntergefahren werden müssen, um so eine Überlastung des Netzes zu verhindern, ist das weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. Der Redispatch 2.0 soll genau das verhindern und so die Energiewende billiger machen. Intelligente, zuverlässige Vorhersagen zu jeder einzelnen Anlage sowie zur gesamten Erzeugung und dem Verbrauch in den Netzen sind die Voraussetzung dafür, dass die Netzbetreiber die Stromleitungen ohne große Abschaltungen stabil und sicher halten können.
Die technisch ausgereifte KI-Prognoselösung von Solandeo unterstützt sie dabei. „Unsere modular aufgebaute Analytics Plattform kann bereits innerhalb von vier bis sechs Wochen in den Live-Betrieb übergehen“, betont der Solandeo-Chef. „Sie lässt sich wahlweise als Software-as-a-Service oder als On-premise-Lösung auf Servern des Netzbetreibers nutzen.“ Darüber hinaus ergänze sie sich ideal mit Lösungen von anderen Innovatoren und weiteren führenden Anbietern im Bereich des Redispatch 2.0. „Gemeinsam mit unseren Partnern können wir daraus All-inclusive-Pakete schnüren, mit denen Verteilnetzbetreiber alle Anforderungen des neuen Redispatch-Verfahrens erfüllen.“
Erfahren Sie hier mehr über unser Angebot für Redispatch 2.0: https://www.erneuerbare-energie-prognosen.de/redispatch-2-0
Weitere Informationen zu Solandeo finden Sie hier: https://www.solandeo.com
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